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Veranstaltung: Pathos der Nähe: Körperpolitik

Donnerstag, 3.4.2025, 18:00 Uhr, Wien, Wiener Aktionismus Museum, Weihburggasse 26, 1010 Wien, Österreich

Allen Aktionisten zum Gruß:
Schon die ollen Griechen schätzten den Aktionismus höher als alle Gedankenkraft. Sie würdigten ihren ersten Großdichter Aischylos ausschließlich als Marathonkämpfer – von seinen Dramen und Dichtungen kein Wort.

WAM-Programm
An sieben Abenden wird Bazon Brock mit Partnern und Partnerinnen im Wiener Aktionismusmuseum die Geschichte des aktionistischen Pathos seit dem 7. Jahrhundert in Erinnerung rufen (siehe Webseite WAM).

3.4.2025 Pathos der Nähe
Am 3.4. 2025 tragen Monika Branicka und Bazon Brock die für die Gegenwart brisantesten Beispiele aktionistischen Terrors der Nähe und des Widerstands dagegen vor. Beginnend mit der Verpflichtung zur Verbreitung des Islam im 7. Jahrhundert und den damit korrespondierenden Aufrufen zu Kreuzzügen der Christen "deus lo vult".

Äußerst bemerkenswert ist, dass die Formen der Verweigerung des aktionistischen Mitmachens nicht mehr öffentlich, also politisch gewürdigt werden, sondern als privatistischer Ausstieg diskreditiert sind.

Nicht nur religionsfanatische Märtyrer sahen und sehen im Selbstopfer die Bestätigung ihres großartigen Auftrags. Selbstverzehr und Selbstoptimierung sind strickt aneinandergekoppelt. Anthropologisch wurde immer schon das mütterliche Opfer für die Brutpflege als Bedingung heldenhafter Erhöhung verstanden. Generell gilt inzwischen, dass sich als Opfer zu verstehen als höchster Ausdruck menschlichen Adels gilt. Kann man als bloßen Wiener Psychologismus abtun, dass fundamentalistische Auslöschungsprogramme einem freigelassenen Selbsthass entspringen?

Wie aufschlussreich sind für derartige Kennzeichnungen etwa der Verlauf des Bauernkriegs nach der lutherischen Revolution oder die Exerzitien des Loyola für die Gründung Jesuitenordens? Hatten Literaten wie Grimmelshausen oder Gryphius frühere Einsichten in den Logos der Gewalt? Die Cromwell-Gefolgschaften an einem Ufer des Stroms der Moderne, die Agenten von Robespierre und Saint Juste am anderen rechtfertigten Mord und Totschlag als Programme des Fortschritts mit der Maxime „hohe Zwecke heiligen die abstoßendsten Mittel“. Mitte des 19. Jahrhunderts haben die Manchester Kapitalisten die bis heute mächtigste Dynamik aller Weltbewegungen in Gang gesetzt, die von der Jugendbewegung, der CONSOMOL, von der Hitlerjugend und der liebenswerten FDJ hochmeinend besungen wurden.

Schon Altgediente des Ersten Weltkriegs berichteten von der wichtigsten Parole derjenigen, die den Schützengraben überleben wollten: „Auf auf, Kameraden, wir müssen zurück“! Aus dieser, bis heute kaum bedachten Programmatik der Modernität lässt sinnfällig erscheinen, warum die reaktionärsten Parteigänger so hemmungslos den technischen Fortschritt feiern.

Kern aller historischer Konzepte ist sicherlich die Beschwörung der Teufelsmacht; die für Künstler wichtigste Version liefert Thomas Mann im 25. Kapitel des Dr. Faustus in unübertreffbarer Präzision.

Für überhaupt noch sinnvolle Künstlerpraktiken unter zeitgenössischem Bekenntniszwang „für das Gute gegen das Böse“ gilt es, den Bekenntnisekel zu stärken. Tarnen und Täuschen hingegen haben sich perspektivisch selten als hilfreich erwiesen. Dem Diktat der politischen Korrektheit kann man wohl kaum mit wissendem Lächeln begegnen und schon gar nicht durch eine politische Inkorrektheit. Wie dann? Wolln mal sehen.

zentrale Akteure: Monika Branicke, Bazon Brock