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Veranstaltung: Stoffwechsel im Werk Feuerstein

Donnerstag, 12.6.2025, 18:00 Uhr, Wien, Wiener Aktionismus Museum, Weihburggasse 26, 1010 Wien, Österreich

 Werk ist abgelegtes Werkzeug
Die Kunst hingegen im Kopf …

Feuerstein – ein aufgeklärter Künstler

Das Wiener Aktionismusmuseum (eben nicht bloß Museum des Wiener Aktionismus) präsentiert gegenwärtig zahlreiche Arbeitsresultate vom Zeitgenossen Thomas Feuerstein. In dankenswerter Klarheit werden die Exponate nicht als Kunstwerke beraunt und bestaunt, sondern als die Werkzeuge jener Erkenntnisarbeit, der sich Feuerstein, wie weltweit hunderte von Wissenschaftlern, widmet.

Ebenso wenig, wie man den Arbeitstisch von Lise Meitner, Otto Hahn und Fritz Straßmann als Werk der Wissenschaftler ausgeben könnte, lassen sich auch nicht analog die Werkzeuge Feuersteins als Kunstwerke präsentieren. Im Unterschied zum Arbeitstisch der Physiker im deutschen Museum München präsentiert Feuerstein sein Werkzeug in Funktionszusammenhängen, die jeweils durch eine Aufgabenstellung oder experimentelle Anordnung wahrzunehmen ist.
Bemerkenswert: Im Bereich der Wissenschaft hat man längst gelernt und akzeptiert, dass die erzielten wissenschaftlichen Erkenntnisse intellektuell repräsentiert werden müssen, wozu experimentelle Anordnung zur Überprüfung von Hypothesen und der Entwicklungsgang der Erkenntnisarbeit hilfreich sind. Im Bereich der Kunst, sogar der nach Duchamps Intervention entstandenen, behauptet man immer noch, dass Kunst als Resultat der Arbeit von Künstlern im Werk zu repräsentieren sei und nicht bloß in der gedanklichen Aneignung. Arbeit der Künstler und Wirkung ihrer Werke werden immer noch in Eins gesetzt, wie im Kinderspiel oder wie in der primitiven Nutzung von Amuletten und Talismanen. Es ist nun wirklich an der Zeit, den Aberglauben an Werke als Kunstwerke aufzugeben. Das ist ja in keinem Falle eine Herabwürdigung der Werke, sondern geradezu therapeutischer Schutz vor Dämonisierung und Missbrauch der Arbeitsresultate von Künstlern als Statthaltern des Schöpfermythos in gottloser Zeit. Seit 600 Jahren versucht man im christlichen Europa die menschliche Arbeit aus der Imitatio Dei, der bloßen Nachahmung des Gottes als Weltenschöpfer, aufzuheben und stattdessen die Imitatio Christi anzustreben, also das überlebensförderliche Arbeiten zur Bewältigung des Alltagslebens von Jedermann. Noch bemerkenswerter ist es, dass ausgerechnet die solchen sozialen Intentionen verpflichteten Menschenversammlungen besonders dazu neigen, sich der pathetischen Beschwörung der Kunstwerke - wenn nicht der toten Götter, so doch der Sehnsucht nach ihnen - hinzugeben. Wann endlich werden sie akzeptieren, dass die Kunst nicht an der Wand hängt und Wissenschaft nicht im schamanistischen Erkenntnisgebrauch gewürdigt werden kann? Museen der menschlichen Arbeitsresultate sind nicht Ersatzkirchen des Glaubens an die Weltrettung durch Kunst und Wissenschaft.

zentrale Akteure: Thomas Feuerstein, Bazon Brock