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Donnerstag, 14.6.2012, 16:00 Uhr, Berlin, Denkerei
Vorstellung des Memorandums
Prof. Dr. Gerd Michelsen
Vorsitzender des Fachausschusses Wissenschaft der Deutschen UNESCO-Kommission
Inhaber des UNESCO-Lehrstuhls an der Leuphana Universität Lüneburg „Hochschulbildung für nachhaltige Entwicklung“
Ulla Burchardt MdB
Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Mitglied des Vorstands der Deutschen UNESCO-Kommission
MinDir Dr. Karl-Eugen Huthmacher
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Leiter der Abteilung Zukunftsvorsorge – Forschung für Grundlagen und Nachhaltigkeit
Dr. Volker Meyer-Guckel (angefragt)
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
Stellvertretender Generalsekretär
Prof. Dr. Daniel Lang
Leuphana Universität Lüneburg
Professur für transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung
Dr. Thomas Jahn
Institut für sozial-ökologische Forschung, Frankfurt a.M.
Sprecher der Institutsleitung
“2012 wird das Jahr der Nachhaltigkeitsforschung” – dies hat Bundeskanzlerin Merkel auf der Jahreskonferenz des „Rates für nachhaltige Entwicklung“ im Juni 2011 angekündigt. Im Jahr des Umweltgipfels in Rio de Janeiro im Juni 2012 geht es unter dem Titel „Zukunftsprojekt Erde“ um Forschung für nachhaltige Entwicklung, also um Forschungsansätze, die wirtschaftliche, ökologische und soziale Aspekte gleichzeitig umfassen.
Das Ziel des Wissenschaftsjahres ist es, den öffentlichen Dialog über Forschung für nachhaltige Entwicklungen zu vertiefen und, laut BMBF, „auch konkrete Handlungsoptionen aufzuzeigen“. In die Debatte bringt sich auch die Deutsche UNESCO-Kommission mit ihrem Memorandum „Wissenschaft für Nachhaltigkeit: Der Durchbruch muss gelingen“ ein.
Das Memorandum speist sich aus der Erkenntnis, dass in Deutschland zwar bereits viel erreicht wurde, um das Wissenschaftssystem zu öffnen für Forschungsansätze, die nachhaltige Entwicklung voranbringen, dass Nachhaltigkeit aber trotz FONA, SÖF und der Arbeit einer Reihe von Instituten noch zu sehr ein Nischenthema im gesamten Forschungsbetrieb ist. Vor allem bestehen noch zu viele Ansätze fort, die transdisziplinäre Forschung, welche für Nachhaltigkeitsforschung unerlässlich ist, eher behindern als befördern.
2012 sollten wir uns den Durchbruch zu einer signifikanteren transdisziplinären Nachhaltigkeitswissenschaft zum Ziel erklären. Das Memorandum wurde zwischen Dezember 2011 und März 2012 erarbeitet vom Fachausschuss Wissenschaft der DUK, unterstützt von Experten unter anderem vom Wuppertal Institut, von der Universität Bremen und der Universität Lüneburg.
Aus der Broschüre zum Memorandum:
Frage an Prof. Dr. Gerd Michelsen:
Was ist eigentlich Nachhaltigkeitswissenschaft?
Nachhaltige Wissenschaft oder Nachhaltigkeitsforschung setzt sich per Definition mit gesellschaftlichen Problemstellungen auseinander. Um diese analysieren und Lösungswege aufzeigen zu können, muss sie einen innovativen Wissenschaftsansatz verfolgen: Verschiedene wissenschaftliche Disziplinen müssen zusammenarbeiten und relevante gesellschaftliche Akteure in den Forschungsprozess einbeziehen.
Wissenschaft verlässt damit noch konsequenter ihren „Elfenbeinturm“ und wirkt in die Gesellschaft zurück, indem gesellschaftliche Akteure in den wissenschaftlichen Prozess eingebunden werden. Ein Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft entsteht, wissenschaftliche Erkenntnisse werden mit Erfahrungen von Praxisakteuren gekoppelt. Dies ist auch Voraussetzung, um gesellschaftliche Reformprozesse anzustoßen.
Der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU) spricht in seinem jüngsten Gutachten von Transformationsforschung und transformativer Forschung, womit generell das Zusammenwirken von Wissenschaft und Gesellschaft in Bezug auf gesellschaftlichen Wandel gemeint ist.
Da nachhaltige Wissenschaft wie geschildert grundsätzlich transdisziplinär angelegt sein sollte, stellt sie auch die bisherigen Qualitätskriterien traditioneller Wissenschaft in Frage und stößt in der Wissenschaft Prozesse an, die zu Reformen führen können, ja müssen.
Frage an Prof. Dr. Uwe Schneidewind:
Wie könnte ein Wissenschaftssystem konkret aussehen, das wie im Memorandum der Deutschen UNESCO-Kommission gefordert, einen „tiefgreifenden zivilisatorischen Wandel“ gemeistert hat?
Drei Stichworte: Ein zentraler Aspekt ist die Einbettung von Wissenschaft in Gesellschaft; Wissenschaft muss wieder zu einem Katalysator für gesellschaftliche Veränderungen werden, und aufhören, eine reine Beobachterperspektive einzunehmen.
Zweitens: Nicht das gesamte Wissenschaftssystem muss sich ändern, aber das Verhältnis von disziplinärer und transdisziplinärer Forschung muss sich erheblich wandeln: Dirk Messner hat kürzlich auf einer Veranstaltung zugespitzt formuliert, dass in einem Wissenschaftssystem 30 Prozent von Forschung und Lehre per se transdisziplinär sein sollten. Das würde natürlich auch andere Strukturen erfordern, nämlich eine sehr viel weitergehende Auflösung klassischer Fakultätsstrukturen und stattdessen eine problembezogene Wissensorganisation. Wir sollten ganze Universitäten haben, die sich gezielt auf gesellschaftliche Problemlagen ausrichten. Einhergehen muss auch eine ganz andere und noch sehr viel vielfältigere Vernetzung von Wissenschaftseinrichtungen.
Ein dritter wichtiger Punkt ist, dass wir eine ganz andere Einbindung von Zivilgesellschaft in Wissenschaft und Forschung brauchen, als das heute üblich ist, ausgehend von der Formulierung der wissenschaftlichen Fragestellung quer durch den gesamten Forschungsprozess.
Anmeldung:
www.unesco.de/anmeldung-memorandum.html