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Donnerstag, 29.11.2018, 19:00 Uhr, Berlin, Kunsthaus Dahlem, Käuzchensteig 8, 14195 Berlin
Zur Ausstellung (29.11.2018–07.01.2019):
Nicht nur für die bundesrepublikanische Gesellschaft stellte die 68er-Bewegung einen bedeutsamen Umbruch dar. Sie besaß zugleich eine ost- und westeuropäische Dimension, und sie zeigte sich in Asien ebenso wie in Amerika. Sie repräsentierte einen Prozess der Befreiung, der auf viele Bereiche der Gesellschaft und der Politik einwirkte. Für Theodor W. Adorno ging es »nicht nur um den Vietnam-Krieg oder den verstaubten Universitätsbetrieb, es ging um die Befreiung des Menschen« – eine Beobachtung, die in übertragenem Sinne auch für die Bildende Kunst gilt. In dieser Phase studierte Karl-Eckhard Carius an der Hochschule für Bildende Künste Berlin Freie Kunst in der Bildhauerklasse von Bernhard Heiliger und wurde dessen Meisterschüler. Carius löste sich vom Einfluss Heiligers, der ihn jedoch weiterhin förderte und ihm den Freiraum gab, sein künstlerisches Denken im Prozess der Selbstfindung erforschen zu können. „Das betrachtende Leben“ (Aristoteles) wurde für Carius zum metaphysischen und künstlerischen Erkenntnisraum. Es bedeutete in dieser turbulenten Zeitspanne den Aufbruch zu einer prognostizierenden Kunst und damit zu einem Medium der Erkenntnis und Selbsterkenntnis.
50 Jahre nach der Studentenrevolte zeigt das Kunsthaus Dahlem Arbeiten von Carius unter dem Titel »BODENWORTE, URWORTE ‘68: Geblieben auf dem Schlachtfeld der Begriffe« im Ostflügel des Kunsthauses, dem früheren Heiliger-Atelier. In Korrespondenz mit der Tradition werden die Divergenzen zwischen den Kunstauffassungen, Motiven und Ideen in dieser Phase des Umbruchs sichtbar.
Begrüßung: Dr. Dorothea Schöne, Leiterin Kunsthaus Dahlem
Grußwort: Dr. Sabine Ziegenrücker, Vorsitzende der Bernhard-Heiliger-Stiftung
Buchvorstellung: Prof. Dr. Ralf Schnell, Herausgeber „CARIUS #68+ / Im Labyrinth der Ereignisse“
Einführung: Prof. Dr. Bazon Brock: „Auf dem Weg zur letzten Instanz“
Die Ausstellung wird gefördert durch:
DIEPHAUS Betonwerk GmbH, Vechta
PETER FAHLING Fliesen GmbH, Lohne
JOHANNES OER, Innenausbau, Vechta
PUBLIKATION
Zur Ausstellung erscheint – herausgegeben von dem Literatur- und Medienwissenschaftler Prof. Dr. Ralf Schnell – die Publikation CARIUS #68+. 50 Jahre nach 68: Blicke auf Denkwege, Aktionen und antizipatorische Projekte des Künstlers Karl-Eckhard Carius. Berlin: Distanz, 2018.
www.distanz.de/detail/index/sArticle/347
Das Buch enthält bislang unveröffentlichte Texte, autobiografische Reflexionen, Fotografien, Installationen, Zeichnungen und literarische Notate. Es ist ein Zeitdokument künstlerischer Praxis, entstanden aus Aufbruch und Rebellion. Die Arbeiten repräsentieren die fundamentale Erweiterung des Kunstbegriffs, insbesondere der Bildhauerei zu einer umfassenden ästhetischen Praxis und zu einer politischen, selbstentfesselnden Kunst. Sie zeigen Wahrnehmungsformen, Prozesse der Selbstbegegnung, des ständigen Experiments – auf der Suche nach neuen künstlerischen Ausdrucksformen und Strategien. Darüber hinaus gibt die Publikation Einblicke in ein bislang nicht aufgearbeitetes Kapitel der Hochschule für Bildende Künste Berlin (heute Universität der Künste), ihre Protagonisten, Akteure und Motive: „Die Entführung des Akademieprofessors Bernhard Heiliger ins Paradies – Ein Attentat auf das Realitätsprinzip“ (Berlin 1969) reflektiert die kritische Auseinandersetzung mit der tradierten und konventionellen Künstler-(innen)-Ausbildung. Diese Aktion schließt gleichermaßen das Scheitern und die Fähigkeit ein, radikal zu experimentieren. „Historische Bedeutung erhält das Projekt“ – so Bazon Brock – „durch ein von Jean Baudrillard 1978 bis in die letzte Formulierung mit Carius' Gründungstext gleichlautendes Programm“. Brock bezeichnet Carius als „einen der wenigen Überlebenden der damaligen Glücksradikalität".