Denkerei (Büro)
An der Rehwiese 2
14129 Berlin
Telefon (030) 61671001
info@denkerei-berlin.de

Zur Liste

Veranstaltung: Formwerdung III - Teil 1: Formkraft

Freitag, 8.4.2016, 18:30 Uhr, Berlin, Denkerei, Oranienplatz 2, 10999 Berlin

Mit Katrin Heimann und Bazon Brock 

Programm

Bazon Brock: Sozio-Design – Objekte werden gestaltet, um das Verhalten von Subjekten zu beeinflussen

1972: Der Begriff Design muß eine Erweiterung erfahren. Wo bisher Design in erster Linie die Gestaltung von Industrieprodukten meinte, sollte künftig unter Design auch Gestaltung von Lebensformen, Werthaltungen, sprachlichem Gestus bestimmbar sein.
Der Grund für diese Erweiterung liegt in der Tatsache, daß zwischenmenschliche Beziehungen wie auch Prinzipien der Lebensorganisation sowie Eigentümlichkeiten sprachlicher Kommunikation nicht so getrennt von der gegenständlich realen Welt auftreten, wie das bisher angenommen wurde. Man kann sagen, daß die Gegenstände, wie etwa Industrieprodukte, dazu benutzt werden, solche abstrakten und nichtgegenständlichen Bedingungen des Lebens herzustellen.
Die produzierten Gegenstände sind immer auch Mittel zum Aufbau von sozialen Beziehungen. Die dringend zu beantwortende Frage ist, wie sich soziale Beziehungen verändern, bzw. wie soziale Beziehungen zugrunde gehen, wenn sich die Gegenstände verändern, über die solche Beziehungen aufgebaut werden.
Eine Antwort kann mit Gründen vermutet werden: Es gibt eine direkte Relation zwischen Sozialbeziehungen und den Mitteln, mit denen sie aufgebaut werden; oder es gibt eine direkte Relation zwischen Sozialbeziehungen und der Art und Weise, in der sie sich äußern. Veränderung des Gegenstand-Designs wird so also auch in jedem Fall Veränderung des Lebens-Designs bedeuten.

Siehe: http://bazonbrock.de/werke/detail/?id=54&sectid=412

Frank Schmitz (FU Berlin) wird im Anschluss daran einen Erfahrungsbericht über den Workshop "Auratische Räume der Moderne" (Zürich 2015) in Bezug auf das Konzept des Sozio-Design geben: http://arthist.net/archive/11266

Katrin Heimann: Formwerdung im Film

Bewegtbilder wie Film, Fernsehen und Video gehören seit langem zu unserem Alltag. Sie werden eingesetzt, um uns zu amüsieren, zu informieren, zu bilden, zu überzeugen und zu beeinflussen. Tatsächlich berichtet die „American Time Survey“, dass der US-Normalbürger 1/5 seiner Wachzeit Bewegtbilder betrachtet. Auf die Frage hin, was Bewegtbilder so erfolgreich macht, erhält man oft die Antwort, dass ihre starke „Wirklichkeitsnähe“ (als Resultate audio-visueller Live-Aufnahmen der Realwelt) einen stark immersiven und damit attraktiven Charakter begründeten). Tatsächlich allerdings ist nicht schwer zu illustrieren, wie stark sich Film und Fernsehen zumeist von den Bildern unterscheiden, die wir „mit unseren eigenen Augen“ aufnehmen würden.
Filme zeigen uns die Welt aus körperlich (oder gar geistig) unerreichbaren Perspektiven, springen von einem zum anderen Tag oder Zeitalter oder von der Erde zum Mond in weniger als einem Augenschlag; ja es ist ihnen noch nicht einmal versagt, den Lauf der Dinge auf den Kopf zu stellen. Und dies alles scheint uns (als dem Großteil der Weltgesamtbevölkerung aller Altersklassen) in ihrer Rezeption kaum zu irritieren.
Seit Jahrzehnten fragen Philosophie wie Film- bis hin zu Kognitionswissenschaften (bzw. die ihr vorangehenden Fächer), wie dies möglich ist. Die derzeit am häufigsten vertretene Meinung hierzu in den Cognitive Film Studies lautet, der Film habe sich über die letzten Jahrzehnte an menschliche Wahrnehmungs- und Kognitionsgewohnheiten so stark angepasst, dass die Erfüllung unserer stärksten Erwartungen uns blind für geringere Abweichungen mache. Film forme sich an uns bzw. habe sich an uns geformt.
In meinem Vortrag werde ich Studien aus Psychologie und Kognitionswissenschaften präsentieren, die diese These untersucht haben und sie dem ersten Anschein nach zu unterstützen scheinen. Im Anschluss werde ich darauf eingehen, inwiefern allerdings auch die genaue Gegenthese zu vertreten wäre – dass sich unsere Wahrnehmung und Kognition am Film formt(e) – weshalb Psychologie und Neurowissenschaften auf qualitative Forschung und Theorie angewiesen sind, und welche Möglichkeiten sich aus neurophänomenologischen Ansätzen ergeben – auf der Suche nach der Formwerdung im Film – die uns alle interessieren sollte.

Katrin Heimann forscht zur Zeit als Postdoktorandin am Interacting Minds Centre der Universität Arhus in Dänemark. Sie studierte Philosophie und Neurowissenschaften auf Masterlevel und promovierte an der Universität Parma im Bereich der kognitiven Neurowissenschaften ueber Filmperzeption.
www.interactingminds.au.dk

Programm für Teil 2 am 09.04.2016 unterhttp://denkerei-berlin.de/kalender/?id=1199